Mittwoch, 19. April 2017

Beobachter oder Koordinatensysteme?

(aktualisiert im Mai 2017)

Nach herrschender relativistischer Auffassung gibt es in der Mathematik der speziellen Relativitätstheorie keinen Beobachter. Statt dessen beschreibt die spezielle Relativität angeblich eine allgemeine, beobachter-unabhängige mathematische Beziehung zwischen unterschiedlich bewegten Systemen. Dies ist auch eine Begründung dafür, dass die relativistische Zeitdilatation kein durch die wechselnde Lichtlaufzeit zwischen Objekt und Beobachter verursachter Scheineffekt , sondern real sein soll. Tatsächlich verwendet Einstein für das mathematische Szenarium in § 3 seines Textes von 1905 (der sog. Herleitung der Lorentz-Transformation) ruhende und bewegte Koordinatensysteme. Doch wer Einsteins Erläuterungen zu den Gleichungen aufmerksam liest, der sieht, dass Einsteins Mathematik das bewegte Koordinatensystem als eine Lichtquelle und das ruhende Koordinatensystem als einen Beobachter behandelt.    

Nach Einstein hat das Licht auf der y-Achse des bewegten Koordinatensystems "vom ruhenden System aus betrachtet" stets die Geschwindigkeit V¯c² - v²  (Seite 899 des Textes von 1905). Diese ungenaue Formulierung lässt zunächst offen, ob es im ruhenden Koordinatensystem einen Beobachter gibt oder ob Einstein die Lichtgeschwindigkeit c vom bewegten in das ruhende Koordinatensystem transformiert. Doch wenn es Einstein um die zeitlich relativen optischen Sinneseindrücke von Beobachtern ginge, so käme es dabei entscheidend auf die Position des Beobachters im Verhältnis zur Lichtquelle an. Nimmt die Distanz zwischen Lichtquelle und Beobachter bewegungsbedingt ab, so ist die effektive Lichtgeschwindigkeit zwischen Lichtquelle und Beobachter größer als c, wodurch das Signal beim Empfänger früher eintrifft. Wächst die Distanz, so ist die effektive Lichtgeschwindigkeit kleiner als c. In diesem Fall ist die Relativität ein leicht erklärbarer Scheineffekt. Doch dies  ist offenbar nicht der theoretische Ansatz Einsteins.

Statt dessen versucht er, eine allgemeine mathematische Beziehung zwischen unterschiedlich bewegten Systemen zu konstruieren. Aber im Widerspruch zur Überschrift von § 3 ("Theorie der Koordinaten- und Zeittransformation von dem ruhenden auf ein relativ zu diesem in gleichförmiger Translationsbewegung befindlichen System") transformiert Einstein nicht die Geschwindigkeit der Lichtstrahlen vom einen in das andere Koordinatensystem, sondern er rechnet mit der Größe V¯c² -  v² , also mit der aus dem Michelson-Morley-Versuch bekannten effektiven Lichtgeschwindigkeit zwischen Lichtquelle und Beobachter.

Für die relativistische Zeitdilatation ist der senkrechte Lichtstrahl auf der y-Achse des bewegten Systems maßgeblich. Die einfache geometrische Transformation dieses Lichtstrahls in ein ruhendes Koordinatensystem ergibt, dass der Lichtstrahl im ruhenden System schräg verläuft und nach dem Satz des Pythagoras bzw. als Summe der Vektoren c und v die Geschwindigkeit V¯c² + v² hat. Die Folge: Es gibt keine relativistische Zeitdilatation, weil der Lichtstrahl in B und C gleichzeitig eintrifft. Denn er hat im bewegten Koordinatensystem die Geschwindigkeit c, im ruhenden Koordinatensystem auf der längeren Strecke AC die größere Geschwindigkeit  V¯c² + v² .

Wie kommt Einstein dazu, statt dessen mit dem Wert  V¯c² - v² zu rechnen? Darauf sind mehrere Antworten möglich.

Die erste mögliche Antwort:
Einstein übernimmt die Größe V¯c² - v² aus der Mathematik zum Michelson-Morley-Versuch. Hier haben wir ein geometrisch entsprechendes Szenarium. Der Beobachter bewegt sich von B nach C. Dadurch wird seine Distanz zur Lichtquelle A größer. Entsprechend wird die effektive Lichtgeschwindigkeit zwischen Lichtquelle und Beobachter kleiner als c, nämlich V¯c² - v².
Einstein kann dabei auf die mathematischen Überlegungen von Hendrik Lorentz zum Michelson-Morley-Versuch zurückgreifen einschließlich des Gamma-Faktors, der später als Lorentz-Faktor bezeichnet wurde. Darauf beruht der von vielen Kritikern erhobene Plagiats-Vorwurf gegen Einstein. (Daneben wird ihm auch vorgeworfen, die Methode der Uhrensynchronisierung mittels Lichtstrahlen von Henri Poincare übernommen zu haben, ohne dessen Namen zu nennen).

Die zweite mögliche Antwort:
Es ist die relativistische Antwort. Es gibt keine größere Geschwindigkeit als c. Der senkrechte Lichtstrahl AB im bewegten System läuft im ruhenden System schräg von A nach C, behält aber seine Geschwindigkeit c. Daraus folgt  V¯c² - v² für den senkrechten Lichtstrahl AB. Jedoch nach Einsteins Postulat des speziellen Relativitätsprinzips hat der senkrechte Lichtstrahl AB im bewegten System in Wirklichkeit die Geschwindigkeit c.  Folglich handelt es sich bei V¯c² - v² um einen Scheineffekt.

Trotzdem sollen Zeitreisen möglich sein? Der Relativismus bestreitet, dass es nur eine physikalische Wirklichkeit gibt. Der Relativismus beruht darauf, dass jeder Beobachter seine eigene Wirklichkeit hat. Daher lebt der Relativismus von Scheineffekten und behauptet bei Bedarf, dass diese wirklich seien.

Die dritte mögliche Antwort:    
Sie ist anhand von Einsteins Text von 1905 belegbar. Einstein macht die Beziehung zwischen der Lichtquelle und dem relativ dazu bewegten Beobachter zu einer Beziehung zwischen unterschiedlich bewegten Koordinatensystemen. Weil er die Relativität der Zeit beweisen will, erklärt er willkürlich jedes der Koordinatensysteme zu einer Zeitzone mit eigener Zeit. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es keinen Beobachter gibt. Einstein auf Seite 898: "Zu diesem Zwecke haben wir in Gleichungen auszudrücken, dass tau nichts anderes ist als der Inbegriff der Angaben von im System k ruhenden Uhren, welche nach der im § 1 gegebenen Regel synchron gemacht worden sind."   (Mit dem griechischen Buchstaben tau bezeichnet Einstein die Zeit im bewegten Koordinatensystem k). Und folgerichtig auf Seite 899: "Es ist zu bemerken, dass wir statt des Koordinatenursprunges jeden anderen Punkt als Ausgangspunkt des Lichtstrahles hätten wählen können...".  

Durch den willkürlichen Kunstgriff mit den Zeitzonen ist es, jedenfalls hinsichtlich der Zeit, plötzlich gleichgültig, an welchem Ort genau sich Lichtquelle und Beobachter befinden. Einstein macht das bewegte Koordinatensystem als ein Ganzes zur Lichtquelle, das ruhende Koordinatensystem als ein Ganzes wird zum Beobachter. Für jeden beliebigen Punkt im bewegten System gilt, dass sich durch die parallele Seitwärtsbewegung die Distanz zu einem zunächst genau gegenüber liegenden Punkt des ruhenden Systems vergrößert. Die effektive Lichtgeschwindigkeit zwischen den beiden Punkten und damit zwischen den beiden Systemen hat die Größe V¯c² - v²,

Übrigens gibt es in der Natur keine unterschiedlichen Zeitzonen, denn diese sind, wenn auch durch den Lauf der Sonne veranlasst, eine zivilisationstechnische Einrichtung, um einheitliche Fahrpläne und Termine planen zu können. Dass unterschiedlich bewegte Systeme unterschiedliche Zeitzonen sein sollen, in denen noch dazu die Uhren unterschiedlich gehen, ist eine willkürliche Idee, Weil aber die Naturwissenschaft weder um 1900 noch heute eine zutreffende Vorstellung von Zeit hat, hält man die mathematische Relativierung der Zeit für eine neue Erkenntnis über die Natur.



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